Theoretische Grundlagen

Sexuelle Übergriffe


Sport ist keine heile Welt, aber durch Sport kann Lebensfreude und Wohlbefinden entstehen, wenn alle Beteiligten die Integrität und Würde jedes Einzelnen respektieren. Jeder Sportler, insbesondere Sportleiter, können durch genaues Hinschauen und klares setzen von Grenzen dazu beitragen, dass es nicht zu sexuellen Übergriffen im Sport kommt.

 


Sensibilität fürs Thema

Ab wann spricht man von einem sexuellen Übergriff? Als sexueller Übergriff an Kindern und Jugendlichen wird jede Handlung einer erwachsenen Person mit oder an einem Kind oder Jugendlichen bezeichnet, die der sexuellen Erregung oder Befriedigung der erwachsenen Person dient. Es ist hierbei zu bemerken, dass eine Handlung/Aussage nicht alle gleich auffassen, denn während sich die einen von einem Spruch des Trainers belästigt fühlen, stecken andere solche Sprüche als witzige Bemerkung weg. Für den Sport ist ein zweiter Aspekt ebenfalls wichtig: Wo hören die notwendigen „guten“ Berührungen auf, und wo beginnen „schlechte“ übergriffige Berührungen. Da man sich im Sport halt nun mal nahekommt und sich berührt, müssen klare Regeln gelten.

Wie viele sexuelle Übergriffe im Sport auftreten ist nicht eindeutig untersucht. In der Schweiz belaufen sich Schätzungen auf 2000-5000 Übergriffen im Freizeitbereich. Da Sport für 85% der Kinder bis zum 14. Lebensjahr die wichtigste Freizeitbeschäftigung darstellt, entfallen viele dieser Übergriffe auf den Sportbereich. Es gibt keine spezifische Sportart die besonders stark betroffen ist, da die Übergriffe häufig ausserhalb der Sportaktivität geschehen und die Aktivitäten selber vor allem der Kontaktaufnahme dienen. Es werden aber vier, für Übergriffe typische Konstellationen unterschieden:

  1. Zur ersten Konstellation zählen Trainer, die vor allem zu Knaben eine Beziehung aufbauen, sie ausserhalb der Trainings zu Anlässen einladen, und dadurch auch das Vertrauen zu den Eltern gewinnen. Dieses Verhalten fällt oft auf und der Trainer verlässt den Verein wieder. In Sportarten, wo Trainermangel herrscht, finden solche Trainer jedoch leicht wieder eine Stelle, weil die Zeit für Abklärungen vor der Anstellung fehlt.
  2. Übergriffe von jungen Erwachsenen auf (meist weibliche) Jugendliche sind häufig. Meistens sind sich diese jungen Erwachsenen ihrer Rolle nicht bewusst, missdeuten Schwärmereien einer jungen Frau als Einladung zu sexuellen Handlungen, oder sie können mit der sexuellen Attraktivität der Frauen nicht umgehen. Sprüche oder sogar sexuelle Handlungen können eine Folge davon sein.
  3. Im Spitzensport kommt es zur dritten Konstellation, weil dort häufiger ausgeprägte Abhängigkeitsverhältnisse herrschen, welche dann zur sexuellen Ausbeutung der Sportlerinnen und Sportler ausgenutzt werden können.
  4. Jugendliche Leitungspersonen, beispielsweise in Jugendverbänden, welche ungenügend sensibilisiert wurden oder in ihrer sexuellen Entwicklung verunsichert sind, bilden die vierte Konstellation. Häufig sind die Übergriffe nur einmalig, was sonst nicht üblich ist.

 

Ein klares Täterprofil gibt es nicht. Die Übergriffe können überall geschehen und sind nicht abhängig von ethnischer Herkunft, Bildung, sozialer Schicht oder religiöser Zugehörigkeit. Bezüglich des Opfers ist festzuhalten, dass Kinder und Jugendliche die altersgerecht aufgeklärt wurden und aus einem Lebensumfeld stammen, in welchem Sexualität nicht tabuisiert wird, besser vor Übergriffen geschützt sind.


Grundregeln des korrekten Verhaltens

  • Unterstützung, wenn möglich ohne Körperkontakt: Die Lehrpersonen oder Trainer erklären den Kindern und Jugendlichen den Nutzen sowie die Art und Weise von Hilfestellungen zum sicheren Ausführen einer Übung. Dabei ist, wenn immer möglich, die verbale Hilfestellung zu bevorzugen.
  • Physische Hilfestellung besser durch Gleichaltrige: Sofern es möglich ist, sollten die Kinder und Jugendlichen selber wählen können, wer Hilfestellungen leistet.
  • Feedback soll sachlich und nicht persönlich sein: Es gilt Gruppen- und Individualfeedback mit grosser Sorgfalt einzusetzen. Rückmeldungen zum Aussehen oder andere persönliche Rückmeldungen sind dabei zu unterlassen.
  • Garderoben betreten ist verboten: Es ist zu vermeiden, dass die Leitungsperson (Trainer, Lehrperson, usw.) sich in der gleichen Garderobe wie die Kinder oder Jugendlichen umzieht oder diese ohne legitimen Grund betritt (Ausnahme: Medizinische Notfälle).

 

Es lohnt sich von den Leiterpersonen im Sport eine Grundsatzerklärung unterschreiben zu lassen, in welcher die wichtigsten Punkte über Verantwortung, Verhaltensregeln und Pflichten festgehalten sind. Betreffend Infrastruktur müssen getrennte Garderoben, ohne Einsichtsmöglichkeiten sowie getrennte Toiletten vorhanden sein. Eine klare Kennzeichnung und Zutrittsregelung ist ebenfalls erforderlich.

 


Fachstellen

Wenn Anzeichen sexueller Übergriffe vorliegen, eine Leitungsperson im Sport diesbezüglich unsicher ist oder sich Kinder und Jugendliche an jemanden wenden wollen, sind Fachstellen die besten Anlaufstellen.

  • BASPO, J+S: Informationsblätter.
  • Swiss Olympic: Dachverband des Schweizer Sports, Kurse und Tagungen in Zusammenarbeit mit anderen Fachstellen, Informationsblätter
  • Kinderschutz Schweiz: Beratung und Informations-, Ausbildungskurse, Fachliteratur.
  • mira: Prävention durch Informationsmaterial, Beratung, Begleitung und Ausbildungskurse. Vereine können Mitglied werden, wenn sie die mira-Präventionsmassnahmen umsetzen.
  • Nottelefon 143 (Dargebotene Hand); Nottelefon 147 (Beratung und Hilfe, Pro Juventute)

 


Mehr Infos: