Theoretische Grundlagen

Methodische Aspekte der Psyche


Psychologisches Training ist die gezielte und kontrollierte Beeinflussung von psychischen Leistungskomponenten, welche zu emotionaler Stabilität und mentaler Stärke beitragen. Da das Gehirn unbewusst und ständig lernt (implizites Lernen), ist die bewusste Planung dieses Trainings wichtig. Gehirnphysiologisch (und stark vereinfacht) betrachtet, erfolgt Lernen durch die Bahnung von Nervenzellverbindungen. Diese Verknüpfungen entstehen durch ständiges Wiederholen. Die Bildung solcher Verknüpfungen wird unterstützt, indem der Lernende an Vorwissen oder Bekanntes anknüpfen kann. Empfindet er positive Emotionen, werden Hirnreale aktiviert, welche für die Lerninhalte relevant sind. Negative Emotionen hingegen führen dazu, dass Hirnregionen aktiv werden, welche für Stress- und Angstreaktionen verantwortlich sind. Dies ist eine schlechte Voraussetzung für stabiles Lernen. Der Lernvorgang wird wie folgt begünstigt:

  • Lernsituation bewusst arrangieren (Lernen findet immer statt)
  • Erfolgserlebnisse ermöglichen (Übereinstimmung von Fähigkeit und Anforderung)
  • Positives Lernklima aufbauen (Freude und Spass als Antrieb)
  • Häufiges Üben und Wiederholen
  • An Bekanntes anknüpfen (methodische Übungsreihen)

 

Ein wesentliches Merkmal menschlichen Lebens ist die ständige Veränderung und Entwicklung. So wie die athletische, schulische bzw. berufliche, psychosoziale Ebene betrachtet werden kann, spielt auch die psychologische Ebene eine Rolle. Sie umfasst die Entwicklungsstadien der Kindheit (bis und mit 12 Jahre), der Adoleszenz (13-18) und des frühen Erwachsenenalters (von 19 Jahren an aufwärts). Auf der emotionalen Ebene beginne die Kinder (ab 6), komplexe Emotionen wie Schuld und Scham zu empfinden, sie werden einfühlsamer. Von der Kindheit (ab 5) zur mittleren Adoleszenz (ab 15) entwickeln sich die kognitiven Funktionen entscheidend. Kinder fangen an, konkreter und logischer zu denken. Mit ungefähr 12 Jahren können sie die Ursachen für Erfolg oder Misserfolg zuordnen. In diesem Alter wären sie daher (psychologisch betrachtet) für den Wettkampf bereit. Während der Pubertät werden die jungen Adoleszenten eher emotional und launisch. In der mittleren Adoleszent sind Stimmungsschwankungen seltener und die Jugendlichen lernen, ihre Gefühle besser auszudrücken. In der Adoleszenz beginnen die Jugendlichen auch, abstrakt zu denken. Mit der Entwicklung ihrer Identität fangen sie an, sich mit politischen, sozialen und moralischen Angelegenheiten zu befassen. Die Verfügbarkeit aller kognitiven Funktionen ist etwa ab 16 Jahren gewährleistet. Deshalb sollten komplexere psychologische Trainingsverfahren bei Jugendlichen erst im Alter von 16 Jahren eingesetzt werden. Vorher sind Übungen eher spielerisch oder in Form von altersangepassten Geschichten durchzuführen.

 


Im psychologischen Training stellt sich zuerst die Frage, welche psychischen Prozesse verbessert werden sollen. Eine auf psychologischer Ebene durchgeführte Anforderungsanalyse der Sportart zusammen mit der Bestimmung der vorhandenen Stärken und dem Entwicklungspotential des Sportlers geben Antwort darauf. Motivation sowie Selbstvertrauen fördern, sich konzentrieren, wahrnehmen und verarbeiten, Psyche regulieren, Willen steuern, antizipieren, kommunizieren, Taktik und Strategie sind in Anlehnung an das Leistungsmodell im Kernlehrmittel J+S die wichtigsten psychischen Trainingsbereiche.

Bei vielen Methoden des psychologischen Trainings handelt es sich im Wesentlichen um eine Variation der drei Grundtechniken Visualisieren, Selbstgespräch und Atemregulation. Um die emotionale Stabilität und die mentale Stärke zu optimieren, kann sich der Sportler je nach Ziel, Lerntyp, Situation und Stand der Saisonplanung für eine oder mehrere Methoden entscheiden.

Visualisieren

Zu den häufigsten angewendeten Techniken des psychologischen Trainings zählt Visualisieren. Beim Visualisieren stellt sich der Athlet eine Situation vor und simuliert mental ein reales Ereignis. Es ist, als ob ein Film im Kopf abläuft, den er selbst bewusst lenken und steuern kann. Ein Sportler kann lernen, sich klare Vorstellungen bewusst vor Augen zu führen, die einen starken Einfluss auf sein Verhalten und seine Leistung haben. Regelmässiges und konsequentes Visualisieren ermöglicht die Steigerung der sportlichen Leistung parallel zum praktischen Training.

Visualisieren beruht nicht nur auf dem bildlichen Vorstellungsvermögen. Der Sportler versucht mit allen Sinnen, ein inneres mentales Bild aufzubauen. Das geistige Bild kann aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Einerseits kann sich der Sportler die Bilder aus der Innensicht vorstellen (Ich-Perspektive). Das geistige Bild wird lebendiger, sobald das Hör- und das Körpergefühl, der Seh-, Geruchs- oder Geschmackssinn miteinbezogen werden (kinästhetisch Visualisieren). Andererseits kann sich der Sportler aus der Sicht einer dritten Person oder wie auf einer Videoaufnahme betrachten. Der Sportler kann auch während des Visualisierungsvorgangs die Perspektive wechseln.

Selbstgespräch

Ein Selbstgespräch ist ein innerer Dialog in Form von Gedanken, welche an die eigene Person gerichtet sind. Gedanken beeinflussen einen Menschen stark. Bei der systematischen Beeinflussung von Selbstgesprächen geht es darum, die Gedanken oder Selbstgespräche so einzusetzen, dass sie der Person helfen, Leistungen zu vollbringen. Selbstgespräche, welche die Leistungserbringung unterstützen, lassen sich trainieren, ein positiver Denkstil lässt sich einüben. Es gibt aber auch Denk- oder Selbstgesprächsstile, welche den Menschen negativ beeinflussen und dazu führen, dass er sein Potenzial nicht ausschöpfen kann. Selbstverständlich geht es darum, dass der Athlet leistungsdienliche Selbstgespräche anwendet.

Atemregulation

Die Atmung erfolgt in der Regel automatisch. Ihre Hauptaufgabe ist die Aufnahme von Sauerstoff und die Abgabe von Kohlendioxid. Zudem stellt die Atmung ein wichtiges Steuerungselement der menschlichen Erregungszustände (und damit auch der Emotionen) dar. Emotionale Befindlichkeit und Atmung stehen also in einem Zusammenhang. Bei Angst, Unsicherheit und Anspannung erfolgt die Atmung flach und schnell. Ruhe, Sicherheit und Entspannung hingegen sind durch langsame und tiefe Atmung gekennzeichnet. Demzufolge ist es praktisch unmöglich, ruhig und entspannt zu atmen und gleichzeitig aufgeregt zu sein. Durch die (willentliche) Veränderung des Atemmusters lassen sich Emotionen beeinflussen (z.B. Angst vermindern durch ruhige, langsame, entspannte Atmung). Der Sportler kann lernen, über die Atmung den eigenen Erregungszustand zu verändern. Bewusstes Atmen lenkt ausserdem die Aufmerksamkeit von störenden Gedanken oder Ereignissen ab und dient dem Konzentrationstraining.

 


Interventionsbereiche

Menschen lernen ständig, bewusst (explizit) oder unbewusst (implizit). So werden auch die psychischen Leistungskomponenten andauernd verändert, ohne dass dies beabsichtigt wird. Diese Beeinflussung erfolgt durch Situationen oder Personen.

  • Förderliches Trainer – und Leiterverhalten: Durch geschicktes Trainerverhalten wird die psychische Stabilität eines Athleten stark geprägt.
  • Psychologisch orientiertes Koordinations-/Konditions- und Taktiktraining (POT): Die im normalen Training eingesetzten technischen, konditionellen oder taktischen Übungen verbessern mit Hilfe ergänzender Massnahmen eine psychische Fertigkeit. Hauptmerkmal dieser Trainingsform ist, dass der Sportler gar nicht merkt, dass wichtige psychologische Fertigkeiten gezielt verbessert werden. Er lernt implizit.
  • Psychologisches Training im Training (PT im Training): Spezielle psychologische Übungen werden im Training angewendet.
  • Psychologische Training ausserhalb des Trainings (PT ausserhalb Training): Hierbei werden spezifische Übungen zur Stärkung psychologischer Fertigkeiten zu Hause bzw. ausserhalb des Trainings durchgeführt.

 

Der Bereich des POT und PT ist sehr sportartspezifisch und sollte mit einem Spezialisten erarbeitet werden. Alle Interventionsbereiche haben zum Ziel, psychische Energie aufzubauen und die Steuerung psychischer Prozesse zu optimieren.

 


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