Theoretische Grundlagen

Das Unterrichtsmodell und seine drei Kernkonzepte


Die drei Kernkonzepte des Unterrichtmodells von J+S können in einer einzigen Abbildung dargestellt werden. Dabei sind alle wichtigen Phasen der Wissensvermittlung abgebildet: Der Dialog, welcher die Umsetzung der drei Konzepte auf den Punkt bringt, die stetige und wechselseitige Auseinandersetzung zwischen Lernenden und Lehrenden und schliesslich die vernetzte Wirkung der drei Kernkonzepte. Die beiden Achterschlaufen zeigen in ihren fliessend ineinander übergehenden Verlaufskurven den vernetzten Dialog zwischen Lernenden und Lehrenden. Die blaue Schlaufe (das pädagogische Konzept) symbolisiert die Kooperation zwischen den Lern-Lehr-Partnern. Der gelbe Teil (das sportmotorische Konzept) stellt die sportartübergreifende Struktur der Leistungsanteile dar, während der orange Teil (das methodische Konzept) auf deren optimale methodische Aufarbeitung zielt.

 


Das pädagogische Konzept

Der Austausch von Informationen und Erfahrungen zwischen Lernenden und Lehrenden findet als Dialog statt. Diese stete Wechselwirkung bildet die Voraussetzung für erfolgreichen Unterricht und eine gelungene Umsetzung der ausgetauschten Informationen. Ziel des Dialogs ist eine optimale Verständigung in einem lernfördernden Klima. Dabei wird zwischen dem Lern- und dem Lehrprozess unterschieden.

Der Lernprozess beschreibt den Umgang mit Informationen aus Sicht der Lernenden:

  • Aufnehmen: Zielt auf eine möglichst aktive Wahrnehmung (visuell, akustisch, taktil, kinästhetisch oder vestibulär) von lernrelevanten Informationen ab.
  • Verarbeiten: Besteht aus einem möglichst  lernwirksamen Zuordnen und Verknüpfen von aktuellen Informationen mit bereits gespeicherten Erfahrungen (Bewegungsvorstellungen entwickeln).
  • Umsetzen: Bedeutet das situationsangepasste Ausführen eines von der Bewegungsvorstellung abgeleiteten Ablaufs, der vorher durch das Verarbeiten entwickelt worden ist (probieren, ausführen, häufiges und variantenreiches Wiederholen).

 

Der Lehrprozess beschreibt den Umgang mit Informationen aus Sicht der Lehrenden:

  • Beobachten: Lehrende konzentrieren sich immer wieder auf die Knotenpunkte eines Bewegungsablaufs und trainieren so auch ihre Beobachtungsfähigkeit (sehen, zuhören, nachfragen, Fehler erkennen). Die Wahrnehmungsfähigkeit der Lernenden ist gezielt zu fördern.
  • Beurteilen: Lehrende beurteilen das, was im Zusammenhang mit dem gesetzten Ziel relevant ist (interpretieren, gewichten, bewerten, vergleichen, Ursachen ermitteln – erfordert klare Beurteilungskriterien). Den Lernenden muss genügend Zeit für das Verarbeiten zur Verfügung gestellt werden.
  • Beraten: Um individuell angemessen beraten zu können (vermitteln von praxisrelevanten Informationen, informieren, korrigieren, bekräftigen, ermutigen, erteilen von Ratschlägen), eignen sich Lehrende verschiedene „Berater-Sprachen“ (verbale, akustische, visuelle und taktile Feedback-Formen) an. Den Lernenden ist viel Zeit für das Umsetzen einzuräumen.

 


Das sportmotorische Konzept

Mit dem sportmotorischen Konzept soll aufgezeigt werden, wie Bewegungen und Leistungen im Sport zustande kommen. Die verschiedenen Leistungsanteile stehen in einem engen Beziehungsgefüge. Ausdruck dieses Zusammenspiels ist die Qualität der ausgeführten Bewegung.

Das Leistungsmodell veranschaulicht die vier Komponenten der sportlichen Leistung. Sporttreibende können diese durch Training aktiv verbessern. Es ist Aufgabe der verschiedenen Sportarten, die Leistungsanteile entsprechend ihrem Anforderungsprofil zu gewichten. Daraus werden die sportspezifischen Herausforderungen für Fortschritte im Training und Erfolg im Wettkampf abgeleitet und die Trainingsinhalte, -mittel und –methoden für eine effiziente Entwicklung der sportlichen Leistung in der Sportart definiert.

 

Leistung dank Physis und Psyche

In allen Sportarten setzt sich die sportliche Leistung aus physischen und psychischen Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten des Handelns zusammen. Unter Physis werden vor allem die körperlichen oder körperbezogenen Aspekte verstanden, während unter Psyche all jenes zusammengefasst wird, was umgangssprachlich das Emotionale und das Geistige betrifft.

 

Leistung dank Energie und Steuerung

Die Leistungskomponente einer Sportart kann in zwei Kategorien eingeteilt werden. Im physischen wie im psychischen Bereich gibt es Energieakzente (konditionelle und emotionale Substanz) und Steuerungsakzente (koordinative und mental-taktische Kompetenz).

 

 

Optimales Timing

Die Leistungskomponenten tragen im Zusammenspiel mit weiteren Einflussfaktoren dazu bei, dass die sportliche Leistung zur rechten Zeit, am richtigen Ort, energetisch optimal dosiert erbracht werden kann.

 

  • Physische Energie: Die konditionelle Substanz umfasst alle energieliefernden physischen Aspekte der sportlichen Leistung: Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Beweglichkeit.

  • Physische Steuerung: Die koordinative Kompetenz ermöglicht, sportartspezifische Bewegungen präzis zu steuern, subtil zu dosieren und zunehmend erfolgreich zu gestalten. Im Zusammenspiel mit der konditionellen Substanz und dem psychischen Bereich führt sie zu den unterschiedlichsten Bewegungstechniken der Sportarten. Wir unterscheiden zwischen: Orientierungs-, Differenzierungs-, Gleichgewichts-, Rhythmisierungs- und Reaktionsfähigkeit.

  • Psychische Energie: Die emotionale Substanz umfasst die energieliefernden psychischen Aspekte der sportlichen Leistung: Motivation, Selbstvertrauen und die Ursachenerklärung nach Erfolg oder Misserfolg. Realistische Selbsteinschätzung führt zu realistischen Zielen, realistische Ziele führen zu Erfolgserlebnissen, Erfolgserlebnisse erhöhen das Selbstvertrauen.

  • Psychische Steuerung: Die mental-taktische Kompetenz ermöglicht, die psychischen Energieanteile optimal zu steuern. Es werden grundlegende (wahrnehmen, verarbeiten), weiterführende (Psyche regulieren, Willen steuern, antizipieren und kommunizieren) und komplexe kognitive Prozesse (Taktik, Strategie) unterschieden. Werden diese Prozesse gezielt ausgerichtet, spricht man von Konzentration. Um sich konzentrieren zu können, muss der Sportler wissen, worauf er seine Aufmerksamkeit aktuell lenkt und worauf er sie idealerweise lenken soll.

 


Das methodische Konzept

Das methodische Konzept beschreibt die Art und Weise der Vermittlung oder die optimale Gestaltung des Dialogs zwischen Lernenden und Lehrenden. Wie muss der gegenseitige Austausch erfolgen, damit er die bestmögliche Wirkung erzielt? Die methodischen Aspekte des Unterrichtsmodells beschreiben den Weg zum Ziel und geben Auskunft darüber, wie der Aufbau und die Gestaltung des Unterrichts im Lehr- und Lernprozess zu erfolgen haben.

Am Anfang eines jeden Lernprozesses steht ein Bedürfnis nach Sicherheit, das für jeden Lernenden unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Jeder Lernschritt, der von einem Erfolgserlebnis begleitet wird, vergrössert die innere Sicherheit. Wer also über ein bestimmtes Können verfügt, sich in verschiedensten Situationen wohl fühlt und daher neue Situationen als Herausforderung annimmt, erreicht den Bereich der Gestaltungsfreiheit.

Mit dem Konzept wird eingeschätzt, wie das Training methodisch gestaltet werden soll. Diese Einschätzung wird anhand einer qualitativen und einer quantitativen Dimension gemacht. Die quantitative Dimension beschreibt den Leistungsstand bezüglich der Sportart und des Sportart-Lehrplans (umreisst die zunehmende Komplexität der zu lernenden Bewegungsformen). Die qualitative Dimension bezeichnet die Bewegungsqualität innerhalb einer bestimmten Bewegungsform einer Sportart (umschreibt den zunehmend höheren Qualitätsgrad der ausgeführten Bewegungen). Lernende können, auf ihre Laufbahn bezogen, die sie in einer Sportart einschlagen, in drei Lerngruppen eingeteilt werden (quantitative Dimension). Der Übergang von einer Lerngruppe in die andere ist fliessend und nicht immer eindeutig festlegbar. Wir unterscheiden zwischen: Einsteigern, Fortgeschrittenen und Könnern. Das Erlernen einer neuen Bewegungsform verläuft in verschiedenen Stufen. Auf der vertikalen Achse der Grafik (qualitative Dimension) werden drei Lernstufen unterschieden: Erwerber-, Anwender- und Gestalterstufe. Die drei Begriffe «erwerben, anwenden, gestalten» beschreiben die Kernforderungen auf den entsprechenden Stufen. Die Verben «festigen, variieren, ergänzen» geben einen Hinweis auf deren methodische Umsetzung. Die Lehrstufen der Lehrenden entsprechen den Lernstufen der Lernenden. Das methodische Lehrverhalten muss sich den Lernenden anpassen. Die drei Lehrstufen lauten: Voraussetzungen schaffen (durch erleichterte Umstände), Vielfalt ermöglichen (veränderte oder variierte Lernbedingungen) und Kreativität fördern (erschwerte Bedingungen schaffen). Der im pädagogischen Konzept geforderte Dialog zwischen Lehrenden und Lernenden wickelt sich im Rahmen der drei Lehr- und Lernstufen ab. Für jede Bewegungsform wird der Prozess der Interaktion über alle drei Lernstufen von neuem in Gang gesetzt.

 


Mehr Infos: